• 0 Artikel - 0,00
    • Keine Produkte im Warenkorb.

Sandra Kerschbaumer in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘

Es ist eigenartig, wenn ein Buch wie aus dem Nichts wiederauftaucht. Eine junge österreichisch-jüdische Schriftstellerin, Maria Lazar, veröffentlichte 1920 ihren ersten Roman: Die Vergiftung. Das Werk blieb ohne großen Erfolg. Nun hat der neugegründete Wiener Verlag mit Namen DVB (für Das vergessene Buch) die Erstausgabe wiederaufgelegt und wirbt für ein bedeutendes Werk des weiblichen literarischen Expressionismus. Man fragt sich, warum und wie das Werk ein Jahrhundert lang der Aufmerksamkeit entgehen konnte.

 

Sandra Kerschbaumer in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘

Franz Haas in der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘

Sicher ist dieses verblüffende Buch auch ein Selbstporträt der Autorin als zornige junge Frau. Aber ausser den typischen Zügen seiner Zeit rumort darin auch die immer gleich bleibende, rabiate Unruhe der neuen Generationen. Auch vor hundert Jahren wurde das nicht von allen goutiert. Thomas Mann mokierte sich über den Roman in einem privaten Brief: «penetranter Weibsgeruch». Robert Musil hingegen erkannte darin, trotz manchem Einwand, einen «rücksichtslos unbefangenen Blick», und es störten ihn weder das Weibliche noch die «jugendlichen Ellenbogen». Wie so oft war auch in diesem Fall Robert Musils Auge feiner als Thomas Manns Nase.

 

Franz Haas in der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘

Thomas Assinger in ‚Zwischenwelt‘. Literatur/ Widerstand / Exil, 32. Jg., Nr. 1, April 2015.

Mit der Herausgabe von Maria Lazars literarischem Erstlingswerk Die Vergiftung stellt sich ein neuer Wiener Verlag vor: Das vergessene Buch. Dieser Name ist Programm. Nicht nur der Roman, erstmals 1920 im E. P. Tal Verlag erschienen, auch seine Verfasserin, die 1895 in Wien geborene Schriftstellerin und kulturpolitisch engagierte Journalistin, ist heute weitgehend unbekannt und von der Literaturgeschichtsschreibung gründlich vergessen worden. […] Nach der Lektüre dieses kleinen großartigen Romans, der weit mehr ist als ein beispielhaftes Zeugnis des literarischen Expressionismus, muten diese Leerstellen in der Rezeption reichlich merkwürdig an. […]

Bereits 1933 entscheidet sich Lazar unter den Eindrücken des auch in Österreich erstarkenden Nationalsozialismus für das skandinavische Exil. Über ihre Kontakte zur Schriftstellerin Karin Michaelis findet sie mit ihrer Tochter Judith zunächst Unterkunft auf der dänischen Insel Thurø, wohin sie auch ihre Freundin Helene Weigel und Bert Brecht vermitteln kann. Nach mehreren Umzügen flieht sie schließlich 1939 nach Schweden. Noch in Dänemark gelingt ihr 1937 die Veröffentlichung eines Kapitels ihres großen Exilromans Die Eingeborenen von Maria Blut über die allmähliche Entwicklung des Nazismus in der österreichischen Provinz in der deutschsprachigen Moskauer Exilzeitschrift Das Wort. Nachdem sich Lazar 1948 in Stockholm das Leben genommen hatte, konnte der vollständige Roman erst 1958 auf Betreiben ihrer Schwester Auguste, die sich in der DDR als Verfasserin von Kinder- und Jugendbüchern etabliert hatte, im Rudolstädter Greifen Verlag postum erscheinen. Auf eine Neuauflage auch dieses vergessenen Buches darf man sich freuen. Die Drucklegung ist von dem jungen Wiener Verlag mit dem treffendem Namen für das Frühjahr 2015 angekündigt.

 

Thomas Assinger in ‚Zwischenwelt‘. Literatur/ Widerstand / Exil, 32. Jg., Nr. 1, April 2015

Evelyne Polt-Heinzl in ‚Die Presse‘

In 13 Erzählabschnitten schickt Lazar die 20-jährige Ruth durch einen Windmühlenkampf gegen ihr großbürgerliches Herkunftsmilieu, das die moralisch wie ökonomisch bröckelnden Fassaden der Wohlanständigkeit mit fester Hand und verlogener Doppelmoral zusammenhält.  […] Beeindruckend ist die ungestüme Kraft, mit der Lazar die Szenarien aufbaut, zuspitzt und ins Groteske kippen lässt. Mit großer Stilsicherheit nutzt sie Potenziale der Schubumkehr im Blick auf Menschen und Dinge. Es sind oft Gegenstände, die mit ihrer Positionierung im Raum und den Berührungen, die sie auslösen, Kommentar und Interpretation liefern. Dazu kommen für die Zeit unerhört radikale Körperbilder, wo sich Figuren wie der ausgepowerte Hilfslehrer Thomas als ungelenke Knochenbündel durch die Tage schleppen, um schließlich zu zerschellen. […] Es ist also zu hoffen, dass die Edition ihres Werks fortgesetzt wird.

 

Evelyne Polt-Heinzl in ‚Die Presse‘

Michael Rohrwasser in der ‚Wiener Zeitung‘

Und dann das: Da wird ein Roman von 1920 wiederaufgelegt, in einem Verlag mit dem schönen, aber gefährlichen Namen das vergessene buch, von einer Autorin, deren Namen so unbekannt wie nur möglich ist. Eine so eigenwillige und eine so starke Sprache hat man lange nicht mehr vernommen, und wie hier erzählt wird, das verrät Souveränität, Gestaltungsvermögen und auch literarisches Selbstbewusstsein – dreizehn Kapitel, die eigentlich kleine Erzählungen sind, die sich im Laufe der Lektüre allmählich zu einem Ganzen zusammenschließen. Man vergisst bei dieser eindringlichen Bilderfolge schnell alle Versuche einer literaturhistorischen Einordnung (‘Expressionismus’ oder ‘Impressionismus’), aber wenn man die Nachbarschaften dieses außergewöhnlichen kleinen Romans benennen will, dann sind das große Namen wie Ernst Weiss, Hermann Ungar oder Veza Canetti – kurz: es handelt sich um eine kleine Sensation.

 

Michael Rohrwasser in der ‚Wiener Zeitung‘